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DER MOBILITÄTSPIONIER

Otto Frommelt wurde am 12. Mai 1905 in Rankweil geboren und entwickelte schon in jungen Jahren eine Faszination für motorisierte Fahrzeuge. Mit 18 Jahren gewann er das Vorarlberger Motorradrennen in Rankweil. Später kaufte er ein Postauto, taufte es Hochlandexpress und fuhr damit Passagiere bis nach Malbun, das 1'600 Meter über Meer liegt. Er bot seine Dienste als Chauffeur an und war unter anderem immer wieder für das Liechtensteiner Fürstenhaus tätig. Sein erstes Nummernschild war das «FL 220». Dank seiner zweiten Leidenschaft, dem Fotografieren, sind die Anfänge der Otto Frommelt Anstalt sehr gut dokumentiert.

DER BEGINN EINER LANGEN
UNTERNEHMENSGESCHICHTE

1928 plante die fürstliche Regierung, einen konzessionierten Postautokurs zwischen Vaduz und Triesenberg einzurichten. Ein weiterer Kurs sollte nach der Eröffnung der neuen Rheinbrücke zwischen Buchs und Triesenberg seinen Betrieb aufnehmen. Das machte die liechtensteinische Presse am 21. März des gleichen Jahres bekannt. Im Sommer sollten jeweils vier Fahrten und im Winter drei Fahrten täglich angeboten werden. Otto Frommelt bewarb sich in einem Brief um die Konzession und schrieb darin: «Ich Otto Frommelt […] erlaube mir, Sie hiemit höflich anzufragen, ob es möglich wäre die Konzession zum Betriebe einer Autobus-Linie Schaan-Vaduz-Triesenberg und zurück zu erhalten. […] Es war schon längst mein senlichster [sic!] Wunsch ein eigenes Unternehmen zu gründen» [Quelle Landesarchiv]. Schliesslich setzte er sich gegen 8 andere Bewerber durch. Die fürstliche Regierung erteilte ihm daraufhin «die Bewilligung zur regelmässigen und periodischen Beförderung von Personen und deren Gepäck mittelst Kraftwagen» [Quelle: Kopie Konzession Landesarchiv] zwischen Sevelen in der Schweiz und Triesenberg im Fürstentum Liechtenstein. Die Bewilligung, die vorerst nur von 1. Juni 1929 bis 31. Mai 1930 gültig war, erneuerte die fürstliche Regierung in den Folgejahren immer wieder. Ebenfalls übertrug die fürstliche Regierung Otto Frommelt auch den Auftrag, die Post zu transportieren. Bis 1929 hatte dies ein Einspänner-Fuhrwerk erledigt [Quelle Landesarchiv]. Im März 1943 fand die grosse Hochzeit von Gräfin Georgina von Wilczek (Gina) mit Fürst Franz Josef II. während der schwierigen Kriegszeit in Vaduz statt. Erstmals wurde eine Fürstenhochzeit in Liechtenstein gefeiert.

GEFÄHRLICHE UND HERAUSFORDENDE TRANSPORTE IM AUFTRAG DES FÜRSTENHAUSES

Während der nächsten Jahre pflegte Otto Frommelt eine geschäftliche Beziehung zum Liechtensteiner Fürstenhaus. Wie gut diese Beziehung tatsächlich war, zeigte sich 1945. Für die fürstlichen Familienmitglieder wurde eine eilige Evakuierungsaktion ins Auge gefasst. Man rechnete mit bis zu 50 Personen und ihrem erheblichen Gepäck, darunter wertvolle Kunstgegenstände, die nach Vaduz gebracht werden sollten. Der Omnibus von Otto Frommelt und zwei weiterer Lastwagen verliessen Vaduz am  27. Februar und waren bis zum 13. März unterwegs. Die ständige Flugangriffsgefahr und heftiges Schneetreiben erschwerten und verzögerten die lange Fahrt, wie aus einem Fahrtbericht von Eugen Frommelt, dem jüngeren Bruder von Otto, hervorgeht. «Abfahrt in Waldstein 3 Uhr früh über Bruck a. d. Mur – Semmering nach Seebenstein. Auf der ganzen Fahrt starken Schneesturm. Ankunft in Seebenstein um 9 Uhr. In Seebenstein wurde die Tagesfluggefahr abgewartet und abends [sic!] nach Wien weitergefahren. Es erfolgte auch in der Zeit von 11 Uhr bis 15 Uhr ein sehr starker Angriff auf Wiener-Neustadt», schreibt er darin [Quelle: Landesarchiv].

 

Die Passagiere und ihr Gepäck trafen wohlbehalten in Vaduz ein, obwohl der LKW unverschuldet mit einem Wehrmachtsfahrzeug zusammenstiess.

Hier der Evakuierungsbericht von Eugen Frommelt aus dem Landesarchiv.

GARAGE, TANKSTELLE UND RETTUNGSDIENST

Ab 1928 baute Otto Frommelt im Zentrum von Vaduz neben seinen Postauto- und Taxidiensten auch eine Garage zum Service und Verkauf verschiedener Fahrzeugmarken auf. In seiner «Zentralgarage» verkaufte er Fahrzeuge von Volkswagen, Chrysler, Studebaker, Mercedes-Benz und Saurer. Ausserdem betrieb Otto Frommelt eine Esso-Tankstelle und kaufte einen Rettungswagen, mit dem er Verletzte ins Krankenhaus transportierte. Otto betrieb diesen Rettungsdienst zuerst alleine, später gemeinsam mit seinem zweitältesten Sohn Ottokar. Mit Blaulicht und Sirene brachten sie Verletzte von der Unfallstelle ins Spital. 1971 stellte Otto Frommelt seinen Rettungsdienst ein, da seit diesem Zeitpunkt das liechtensteinische Rote Kreuz den Krankentransport in Liechtenstein übernahm und verwaltete. [Quelle: Website Rotes Kreuz Liechtenstein]

Otto Frommelt leistete in Liechtenstein Pionierarbeit in Sachen Mobilität und trug massgeblich zu einer funktionierenden und modernen Verkehrsinfrastruktur bei. Die verschiedenen Geschäftszweige wurden bald unter dem Namen «Otto Frommelt AG» vereinigt. Am bekanntesten war Otto Frommelt aber für seine Postautos, die im Liechtensteiner Oberland unterwegs waren. "Postauto Frommelt“ wurde langsam zum Synonym des Personentransportes im Land und es gibt viele Anekdoten von Passagieren, die zum Schmunzeln anregen. Als der Landtag am 1. Juli 1949 das Postautohaltersystem einführte, verkehrten die Busse ab diesem Datum in den einheitlichen Farben Gelb und Rot. Die Schweizerischen Post-, Telefon- und Telegraphenbetriebe (PTT) verwalteten ab diesem Tag das Postautogeschäft in Liechtenstein. Für alle Entscheide war nun die Kreispostdirektion im schweizerischen St. Gallen zuständig.

NACHFOLGER OTTOKAR FROMMELT & SEINE LEIDENSCHAFTEN

In den 60er-Jahren stieg Ottos Sohn Ottokar in das Unternehmen ein. Er hatte seine Lehre als Mechaniker im Saurer Werk in Arbon absolviert. Ottokars Leidenschaft galt besonders den Carreisen, weshalb er den Ausbau dieses Angebots besonders vorantrieb. Die mehrtägigen Reisen führten ihn oft und für die damaligen Verhältnisse weit weg von Liechtenstein. Unvergessen bleibt die Carreise nach Rom, auf der Ottokar die Mitglieder des Liechtensteiner Landtags nicht nur sicher in die italienische Hauptstadt chauffierte, sondern ihnen auch die dortigen Sehenswürdigkeiten näher brachte. Ottokar verfügte über einen ausgezeichneten Orientierungssinn und führte seine Passagiere sein ganzes Berufsleben lang unfallfrei ans Ziel. Pflichtbewusst montierte er jeweils auch bei grösstem Schnee und Sturm die Schneeketten an seinem Postauto, um jederzeit Sicherheit für seine Passagiere zu gewährleisten.

Ottokar Frommelt übernahm in der Otto Frommelt AG immer mehr Führung und Verantwortung, bis er 1980 nach dem Tod seines Vaters offiziell Geschäftsführer wurde. Im gleichen Jahr verlegte das Unternehmen seinen Standort und zog vom Zentrum in einen Neubau etwas ausserhalb von Vaduz, Gewerbewg 14. Infolgedessen wurde die Esso-Tankstelle im Zentrum geschlossen. Mittlerweile beschäftigte die Otto Frommelt AG 28 Chauffeure und besass 18 Omnibusse. Das stetige Wachstum der Firma hatte den Standortwechsel notwendig gemacht. Die Otto Frommelt AG konzentrierte sich ab den 80er-Jahren auf den Postautobetrieb, den Pakettransport sowie die Carreisen.

UNTERNEHMENSWERTE, INNOVATION & NACHHALTIGKEIT ALS KERNKOMPETENZ

Wie sein Vater interessierte sich Ottokar Frommelt für Innovation und Fortschritt. Sein Ziel war es, die Busse der Otto Frommelt AG immer auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Eine grundlegende technische Neuheit war 1990 der erste eingebaute Umweltkatalysator, mit dem Ottokar seine Busse nachrüsten liess. Damit waren die Dieselbusse nachhaltiger unterwegs und konnten ihr Image allmählich verbessern. Um eigene Ideen umzusetzen, tüftelte Ottokar auch selbst an seinen Bussen herum.

 

Beispielsweise entwickelte er eine Vorrichtung, die es erlaubte, Fähnchen auf den Postautobussen anzubringen. Mit den Flaggen des Fürstentums überraschte die Otto Frommelt AG dann an einem Nationalfeiertag die Liechtensteiner Buspassagiere. Des Weiteren sorgte er dafür, dass die Postautos im Land blaurote Streifen und das Landeswappen trugen.

Beflaggung Staatsfeiertag Liechtenstein, Otto Frommelt Anstalt.jpg
Beflaggung Fürstenfest, Otto Frommelt Anstalt.jpg

Wenige Jahre später kaufte die Otto Frommelt AG die ersten Gelenkbusse, mit dem Ziel mehr Personen im gleichen Bus zu transportieren. Damit senkte das Unternehmen die Emissionen pro Person und konnte gleichzeitig die Kapazität um mehr als einen Drittel erhöhen. Ottokar Frommelt setzte so einmal mehr die Unternehmenswerte Innovation und Nachhaltigkeit in seinem Unternehmen um.

MODERNIERUNG & MIT DEM SLOGAN "LIECHTENSTEINMOBIL" UNTERWEGS

Ottokar Frommelt blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1995 in der Otto Frommelt AG aktiv. Im gleichen Jahr wurde die juristische Person der Otto Frommelt AG zu einer Anstalt umgewandelt. Ab diesem Zeitpunkt führte Ottokars Tochter Magdalena Frommelt die Geschäfte. Die Otto Frommelt Anstalt hatte zu diesem Zeitpunkt 50 Mitarbeiter und einen Fahrzeugpark von 25 Bussen. Die Werte Innovation und Nachhaltigkeit prägten den Familienbetrieb weiterhin. Als erstes Busunternehmen in der Schweiz und Liechtenstein erhielt die Otto Frommelt Anstalt 1997 ein ISO 9001- und  ISO 14001-Zertifikat. Diese Zertifikate bescheinigten dem Unternehmen, dass es die höchsten Standards bezüglich Umwelt- und Qualitätsmanagement erfüllte.

 

Die Busflotte der Otto Frommelt Anstalt zählte in der Region zu den umweltfreundlichsten und technisch modernsten Postautos. Mit 50 hoch motivierten, engagierten und sehr kompeteten Buschauffeuren gelang es, Innovationsprozesse im Personen-Nahverkehr voranzutreiben und umzusetzen. Die sehr hohe Kundenzufriedenheit bescheinigte die Wertschätzung der Buschauffeure in der Bevölkerung.

Passend zu den Innovationsprozessen modernisierte und vereinheitlichte Magdalena Frommelt auch das Erscheinungsbild des Familienunternehmens. Magdalena kreierte den Slogan «Liechtensteinmobil», um die Verbundenheit zur Liechtensteiner Bevölkerung stärker zum Ausdruck zu bringen. Das Motto war ab diesem Zeitpunkt auf allen Bussen der Otto Frommelt Anstalt zu sehen.

MARKTÖFFNUNG & RÜCKZUG AUS DEM POSTAUTOGESCHÄFT

Im März 1999 lösten die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein den gemeinsamen Post- und Fernmeldevertrag auf. Das bedeutete, dass die Schweizerischen Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe (PTT) nicht mehr für die Personenbeförderungsdienste in Liechtenstein zuständig waren. [Quelle: Offizielle Website des Bakom] Es wurde die Liechtensteinische Busanstalt (LBA) gegründet, die den Auftrag zur Personenbeförderung im Fürstentum Liechtenstein neu vergab.

In einer europaweiten Ausschreibung machte die LBA die Kriterien bekannt, die das Busunternehmen erfüllen sollte. Nach eingehender Prüfung der Ausschreibung entschied sich die Otto Frommelt Anstalt, nicht daran teilzunehmen. Das finanzielle Risiko wäre für das Familienunternehmen zu hoch gewesen, falls es das Gasbuskonzept der LBA doch nicht hätte erfüllen können. Die Geschäftsleitung der Otto Frommelt Anstalt äusserte öffentlich Kritik an der Art und Weise dieser Ausschreibung und beauftragte ein entsprechendes Rechtsgutachten zur Prüfung derselben. Dieses stellte fest, dass die in der Ausschreibung verlangte Gasbustechnologie in der Realität nicht umsetzbar wäre. Beispielsweise wäre es mit einem Gasbus nicht möglich gewesen, die Strecke bis nach Malbun zu fahren. Ebenfalls war in der Ausschreibung die Fahrplangestaltung zum Nachteil und mit Gehaltseinbussen der Chauffeure und deren Ruhezeiten ausgelegt worden.

Die LBA zeigte sich vom Rechtsgutachten unbeeindruckt und vergab den Auftrag für die Dauer von zehn Jahren an die Postauto Schweiz. Diese konnte die Ausschreibung dank eines verhältnismässig tiefen Angebots für sich entscheiden. Am 30. Juni 2001 führte die Otto Frommelt Anstalt die letzte Postautofahrt in Liechtenstein aus. Die Omnibusse und Mitarbeiter des Unternehmens übernahm jedoch die Postauto Schweiz. Wie sich später herausstellte, fuhr nie ein Gasbus in die Berge oder nach Malbun, da dies, wie im Gutachten festgehalten, technisch nicht möglich war. Die Anstellungsbedingungen für die Chauffeure mussten später teilweise neu verhandelt werden.

NEUAUSRICHTUNG 2001 - 2016

Im Jahr 2001 transportierte die Otto Frommelt Anstalt auch die letzten Pakete. Das Unternehmen bot in den Folgejahren nur noch Carreisen an. Nach zehn Jahren schrieb die LBA den Auftrag zur Personenbeförderung 2011 erneut aus. Die Otto Frommelt Anstalt bewarb sich dieses Mal in Kooperation mit dem österreichischen Postbus AG, Wien, um den Auftrag.

 

Postauto Schweiz konnte den Auftrag wie schon zehn Jahre zuvor für sich entscheiden. Wie sich 2018 im Zuge des Postautoskandals herausstellte, hatte das Unternehmen den Postautobetrieb in Liechtenstein allerdings mit ungefähr 17 Mio. Schweizer Franken quersubventioniert (siehe Link zu den Zeitungsartikeln in der Seite "Postauto-Skandal").

Für die Otto Frommelt Anstalt bestätigte diese Enthüllung einige ihrer Vermutungen in Bezug auf die Ausschreibungen in den Jahren 2001 und 2011.  Dieser Skandal änderte jedoch nichts an der gegenwärtigen Situation des Unternehmens. Nach reiflicher Überlegung verkaufte die Familie Frommelt ihre Firma im Jahr 2016 schliesslich endgültig.

 

Ganz verschwunden ist die Otto Frommelt Anstalt jedoch nicht aus dem Liechtensteiner Ortsbild. Noch immer verkehren im Fürstentum Liechtenstein Busse, auf denen der Schriftzug «LIEmobil» prangt. Die Liechtensteinische Busanstalt machte sich den Slogan der Firma 2010 zu eigen und heisst seither Liechtensteinmobil, kurz LIEmobil. Der Leitspruch erinnert daran, dass Otto Frommelt (1905 - 1980) auf diesen Routen einst die ersten Reifenspuren hinterliess und Liechtenstein im wörtlichen Sinn mobil machte.

Frommelt Busreisen, Vaduz Liechtenstein
Frommelt Busreisen, Vaduz, Liechtenstein

Konzept und Gestaltung: 2021, Julia Frommelt, Schaan (LIE)

Inhalte: 2021, Judith Schönenberger (CH)

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